Einige der verbotenen Handelspraktiken im Fokus

Paprika und anderes rotes Gemüse mit Text: Schluss mit unfairen Geschäftspraktiken
Foto: BMLUK / Paul Gruber

Auf dieser Seite werden fünf Praktiken aus Anhang I FWBG ("schwarze Liste") näher erläutert, weil sie in der Praxis besonders häufig auftreten.

<>fünf absolut verbotene Handelspraktiken im Fokus

Nach Anhang I FWBG ist es ausnahmslos verboten, wenn der Käufer die Bedingungen einer bestehenden Liefervereinbarung einseitig ändert – also ohne Zustimmung des Lieferanten. Dazu zählen insbesondere Änderungen von Häufigkeit, Methode, Ort, Zeitpunkt oder Umfang der Lieferung, von Qualitätsstandards, Zahlungsbedingungen oder Preisen. In der Praxis ist es beispielsweise unzulässig, wenn ein Händler einseitig das Lieferfenster verschiebt (von täglich auf wöchentlich), Preise oder Zahlungsziele kürzt oder verlängert oder Qualitätsanforderungen erhöht. 

Das Verbot umfasst auch vertraglich vereinbarte Dienstleistungen aus Anhang II, die nur mit klarer Vorab-Vereinbarung zulässig sind – zum Beispiel Listung, Lagern und Bereitstellen am Markt, Preisaktionen/Rabatte, Werbung/Marketing sowie Personal zum Einrichten von Verkaufsflächen. Auch diese Dienstleistungsbedingungen darf der Käufer nicht alleine abändern. Praktisch heißt das: Keine eigenmächtige Erhöhung von Listungsgebühren, keine Verlängerung oder Ausweitung von Rabattaktionen, keine zusätzlichen Marketingpakete oder mehr Verkaufspersonal auf Kosten des Lieferanten ohne dessen vorherige, eindeutige Zustimmung. Änderungen sind nur einvernehmlich, idealerweise schriftlich und vor Umsetzung, zulässig.

Verhandlungen und einvernehmliche Anpassungen sind selbstverständlich möglich. Einseitige Durchsetzung nicht.

Ausnahmslos verboten ist, wenn der Käufer kommerzielle Nachteile androht oder setzt, weil ein Lieferant seine Rechte wahrnimmt – etwa eine Beschwerde einbringt, mit der Bundeswettbewerbsbehörde zusammenarbeitet, Auskünfte erteilt oder auf vertragliche bzw. gesetzliche Ansprüche pocht. Als „Vergeltungsmaßnahmen“ gelten zum Beispiel Drohungen oder Schritte wie Auslistung, Mengen- oder Bestellkürzungen, schlechtere Platzierung, ungünstigere Konditionen (Preis, Zahlungsziel, Boni) oder verzögerte Aufträge – wenn der Anlass die Rechtswahrnehmung des Lieferanten ist.

Praktisch heißt das: Meldet ein Betrieb einen möglichen Verstoß oder fordert eine rechtmäßige Anpassung ein, dürfen darauf keine Strafaktionen folgen. Sachlich begründete Entscheidungen (z. B. wegen Qualität, Liefertreue, Nachfrage) sind weiterhin möglich, müssen aber objektiv belegt und nicht als Reaktion auf die Beschwerde gesetzt sein. Maßgeblich ist der Gesetzeswortlaut; einvernehmliche Lösungen sind erlaubt – Vergeltung nicht.

Verboten ist, wenn der Käufer vom Lieferanten Geld verlangt, das keinen direkten Zusammenhang mit dem Verkauf der Produkte des Lieferanten an diesen Käufer hat. Gemeint sind vor allem pauschale oder allgemeine Gebühren, die nicht an eine konkrete, nachvollziehbare Leistung für genau diese Produkte geknüpft sind – etwa „Verwaltungspauschalen“, „IT-/Systemgebühren“, Beiträge zu allgemeinen Betriebskosten, Filialumbauten oder sonstige Zahlungen, die der Käufer für seine eigene Infrastruktur oder allgemeine Aufwendungen einfordert. Solche Forderungen sind immer unzulässig, auch wenn sie in Standardbedingungen vorkommen.

Zur Einordnung: Leistungen nach Anhang II FWBG (z. B. Werbung, Preisaktionen, Listung/Lagerung/Bereitstellung am Markt oder Personal für das Einrichten von Verkaufsflächen) sind nur dann überhaupt zulässig, wenn sie vorher klar und eindeutig vereinbart wurden und inhaltlich konkret beschrieben sind. Fehlt diese Vorab-Vereinbarung, sind auch solche Zahlungen unzulässig – dann aber nicht, weil „ohne Gegenleistung“, sondern weil die erforderliche Vereinbarung fehlt.

Praktisch heißt das: Der Käufer kann keine Blanko-Gebühren verlangen, um eigene Kosten zu decken, die nichts mit dem konkreten Verkauf der Produkte des Lieferanten zu tun haben. Zulässig sind nur ausdrücklich vereinbarte und konkret beschriebene Leistungen; alles andere fällt unter das Verbot. Maßgeblich bleibt der Gesetzeswortlaut.

Nach Anhang I FWBG ist es ausnahmslos verboten, wenn der Käufer vom Lieferanten verlangt, für Qualitätsminderungen oder Verluste an Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen zu bezahlen, die erst in den Räumlichkeiten des Käufers oder nach dem Eigentumsübergang auf den Käufer eingetreten sind – sofern die Ursache nicht in Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Lieferanten liegt. Mit anderen Worten: Was nach Übergabe beim Käufer passiert (z. B. falsche Lager-/Kühltemperatur, Beschädigung beim internen Transport, Schwund im Markt), darf der Käufer nicht auf den Lieferanten abwälzen, wenn der Lieferant kein Verschulden trifft. 

Praktisch heißt das: Verderben Waren im Zentrallager wegen eines Kühldefekts oder entstehen Ladenverluste nach der Übernahme, kann der Käufer keine Ersatzforderungen an den Lieferanten stellen. Anders ist es, wenn die Qualitätsminderung oder der Verlust durch den Lieferanten verursacht wurde (z. B. unsachgemäße Vorlagerung vor der Übergabe) – dann können Ansprüche bestehen. Unberührt bleiben zudem vertragliche Rechte, wenn die Ware bei Lieferung nicht den vereinbarten Spezifikationen entspricht (z. B. Qualitätsgrenzen, Temperatur bei Anlieferung); hier greifen die allgemeinen Regeln des Vertragsrechts, nicht das Abwälzungsverbot.

Zahlungsverzug liegt vor, wenn der Käufer die gesetzlich zulässigen Zahlungsfristen überschreitet. Für verderbliche Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse beträgt die Frist 30 Tage, für sonstige Erzeugnisse 60 Tage. Maßgeblich ist jeweils der spätere der einschlägigen Anknüpfungspunkte; abweichende vertragliche Regelungen ändern daran nichts.

Verderblich“ sind Produkte, die ihrer Art oder Verarbeitungsstufe nach in kurzer Zeit voraussichtlich nicht mehr zum Verkauf geeignet sind (typisch: frische Milchprodukte, Obst, Gemüse, Frischfleisch). „Sonstige“ Erzeugnisse sind haltbarer (z. B. Mehl, Konserven, haltbare Getränke). Die Einordnung entscheidet über 30 bzw. 60 Tage.

Regelmäßige Lieferung: Ist ein Lieferzeitraum vereinbart (z. B. wöchentliche oder monatliche Abrufe), beginnt die Zahlungsfrist mit dem späteren Zeitpunkt aus (a) Ende des vereinbarten Lieferzeitraums, in dem geliefert wurde, oder (b) Festlegung des zu zahlenden Betrags für diesen Zeitraum. Für die Berechnung ist stets davon auszugehen, dass ein Lieferzeitraum höchstens einen Monat umfasst.

Keine regelmäßige Lieferung: Bei Einzellieferungen beginnt die Zahlungsfrist mit dem späteren Zeitpunkt aus (a) Tag der Lieferung oder (b) Festlegung des zu zahlenden Betrags.

Besonderheit bei Selbstfakturierung/Gutschrift: Legt der Käufer den zu zahlenden Betrag fest, beginnt die Frist bei regelmäßiger Lieferung mit dem Ende des Lieferzeitraums, bei Einzellieferungen mit dem Tag der Lieferung.

Wird die jeweilige Frist überschritten, liegt eine verbotene Handelspraktik vor.

Beispiel: Ein Milchbetrieb liefert im September jede Woche Frischmilch an einen Händler (verderblich, regelmäßige Lieferung). Der vereinbarte Abrechnungszeitraum endet am 30.09.. Der endgültige Betrag wird am 02.10. festgelegt. Maßgeblich ist der spätere Zeitpunkt, also der 02.10.. Die 30-Tage-Frist endet damit einschließlich 01.11.. Geht die Zahlung erst am 02.11. ein, liegt verbotener Zahlungsverzug vor.

   

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